Erst musste ich lernen mich zu lieben

 

Julian David trifft DJ Ötzi in Salzburg beim Benefizkonzert für die Salzburger Wärmestube auf Schloss Hellbrunn.

 

 

Julian David: Lieber Gerry, dir geht es sehr gut im Leben und in der Liebe. Heute hast du Salzburg zu einem Benefizkonzert eingeladen, um Geld für Menschen zu sammeln, denen es am Nötigsten fehlt. Du unterstützt die Aktion „Mehr Wärme“ der Salzburger Wärmestube. Wer dich heute sieht, der würde nicht ahnen, dass Liebe und Wärme genau das waren, was du als Kind und Jugendlicher selbst bitter vermisst hast.

Gerry: Liebe und Wärme sind zwei wichtige Worte. Für mich waren sie oft Fremdworte. Meine Mutter hat mich zu Zieheltern gegeben. Als ich zwei Jahre alt war, bin ich dann nach Ötz zu meinen Großeltern gekommen. Obwohl sich meine Oma sehr um mich gekümmert hat, hatte ich immer das Gefühl, ich gehöre hier nicht hin. Ich fühlte mich nicht zu Hause, mir fehlten die Wurzeln und die Verbundenheit. Wohl gerade deshalb verspürte ich umso mehr den Wunsch nach Anerkennung, Aufmerksamkeit und Liebe. Meine innere Unruhe und fehlende Ausgeglichenheit habe ich vielfach durch meinen Drang, auffallen zu wollen, zu kompensieren versucht – jedoch nicht immer zur Begeisterung meines Umfeldes.

Mein Großvater war sehr streng und hatte oft einen sehr rauen Umgangston. Mein Vater war im Grunde nie für mich da. Sprüche wie: „Du bist nichts, du wirst nie jemand sein...“, haben mich tief verletzt.

Julian David: Hör bitte auf, ich kann das nicht mal ertragen, wenn ich nur zuhöre. Wie kann ein kleiner Junge so einen Wahnsinn aushalten?

Gerry: Die Frage hat sich gar nicht gestellt. Weil es keine Alternative gab. Ich war ständig krank. Epileptische Anfälle. Hatte vor allem und jedem Angst. Vor Tieren, vor Wasser, vor Dunkelheit, vor dem Alleinsein. Ich habe mich jeden Tag wertlos gefühlt, wusste nicht, wohin ich gehöre.

Julian David: Das ist ja der blanke Horror. Wie können Menschen so grausam sein?!

Gerry: Aus Sicht von heute kann ich es meinem Vater gar nicht übel nehmen. Er hat es von seinem Vater auch nicht anders erlebt. Er konnte es nicht besser. Die hatten auch nie wirklich eine gute Vater-Sohn-Beziehung. Wahrscheinlich ist es meinem Großvater mit seinem Vater nicht anders gegangen. Oder er muss im Krieg schlimme Dinge erlebt haben. Keine Ahnung.

Julian David: Ich bin ein großer Freund von Entschuldigungen. Aber hier?! Nein!

Gerry: Ich bin schon sehr früh von zu Hause weg, obwohl ich keinen Plan hatte, wo ich hin sollte. Völlig am Boden zerstört lernte ich Michaela kennen. Sie war der erste Mensch in meinem Leben, der an mich geglaubt hat. Ich war damals 22 Jahre alt. Sie war eine Traumfrau. Eine, von der ich nicht gedacht hätte, dass sie mich überhaupt ansieht. Sie hat mich dazu gebracht, an mich zu glauben. Umzudenken. Michaela hat mir gezeigt, dass ich okay bin. Und für sie habe ich das erste Mal in meinem Leben vor Publikum gesungen. Es war einer ihrer Lieblingssongs,  Me and Bobby McGee von Janis Joplin. Ich wollte sie damit beeindrucken.  Nachdem ich das Lied gesungen hatte, bekam ich einen Riesenapplaus. Dieser Moment sollte mein Leben für immer ändern. Das war meine Initialzündung, plötzlich wusste ich, welches Ziel ich anstreben wollte. So bin ich überhaupt zum Singen gekommen. Ich habe das erste Mal erlebt, dass ich etwas besonders gut kann. Das erste Mal einen Menschen um mich gehabt, der mich in dem, was ich mache, bestärkt. Das war ein Hammer-Gefühl. Von diesem Tag an begann ich mein Leben zu ändern. Ich begann mich zu öffnen und zu lernen, vor allem aus meinen Fehlern.

Julian David: Wow, heute lebst du mit deiner lieben Frau Sonja und deiner Tochter Lisa-Marie hier in Salzburg und hast mit Welt-Hits Geschichte geschrieben.

Gerry: Meine Leidenschaft und mein Herz schlagen einfach für die Musik.

Es war damals rundum ein Lebensabschnitt mit Höhen und Tiefen. Heute kann ich sagen: Ich hab eine coole Familie, einen super Job und bin gesund – deswegen wäre es einfach der falsche Weg, immer nur in die Vergangenheit zu blicken. Ich  bin in meiner seelischen Mitte,  fühle mich angekommen und versuche, mir Träume und Ziele für die Zukunft zu setzen. Es geht mir momentan sehr, sehr gut, ich fühle mich wohl in meiner Haut und ich stehe zu mir. Was ich aus meiner Vergangenheit gelernt habe, ist heute ein wichtiges Credo für mich: Auch wenn etwas noch so schlimm scheint, kann es trotzdem irgendwann gut ausgehen! Man darf nie aufhören zu kämpfen und an sich selbst zu glauben!


Julian David: Gerry, immer, wenn ich einem Menschen begegne, überlege ich mir, was ich ganz besonders an ihm mag. Du hast es geschafft, diese dumme Vom-Vater-zu-Sohn Kette zu durchbrechen. Du hast lange nichts bekommen und bist heute in der Lage, großzügig zu geben. Für mich bist du DER STERN! Du leuchtest mir und anderen den Weg! Danke dafür!

Gerry: Ich habe auch etwas für dich: Lass dich niemals unter kriegen. Egal von wem! Lass dir niemals dein Strahlen nehmen! Du bist DER STERN!

 

Die unglaubliche Karriere des DJ Ötzi begann 1999 mit seinem Hit "Anton aus Tirol". Seitdem schafften es über 20 Singles des Österreichers in die deutschen Charts. Mit  "Ein Stern (der deinen Namen trägt)" verzeichnete er einen Welt-Hit. Damit wurde er auch zum größten und erfolgreichsten Exportschlager aus Österreich: Mit mehreren Nummer-1-Hits und diversen Gold- und Platinauszeichnungen hat DJ Ötzi nicht nur sämtliche Rekorde gebrochen, sondern auch die Messlatte in fast unerreichbare Sphären gehoben. Es gab keine Single, die sich länger in den Media Control Charts hielt als „Ein Stern“. Mehr als unglaubliche 100 Wochen!

 

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